Hochaufgelöste Strömungs-simulation einer Kaplan-Turbine mit hybrider RANS-LES Turbulenzmodellierung

Motivation

Beim Betrieb von Kaplan-Turbinen treten komplexe instationäre Strömungsphänomene auf. Diese entstehen unter anderem durch die Strömungsführung in der Maschine, die Spalte zwischen Kaplanflügel und Gehäuse sowie Nabe und die stark wirbelbehaftete Abströmung am Laufradaustritt. Die in der Industrie verwendeten Standardmodelle können das Betriebsverhalten von Kaplan-Turbinen nicht immer genau vorhersagen und weichen teils stark von Messungen ab. Ziel ist es, durch eine hochaufgelöste Simulation mit hybrider Turbulenzmodellierung die Vorhersagegenauigkeit der Standardmodelle zu verbessern und die Strömungsphänomene in der Maschine besser zu verstehen.

Numerische Simulation und Turbulenzmodellierung

Zur numerischen Lösung der Navier-Stokes-Gleichungen werden diese durch die Finite-Volumen-Methode diskretisiert. Dazu wird das zu untersuchende Gebiet in finite Volumen zerlegt. Die Lösung der Erhaltungsgleichungen erfolgt auf diesen Volumen. Ein großes Problem stellt dabei die Turbulenz der Strömung dar. Turbulenz findet sowohl räumlich als auch zeitlich auf sehr unterschiedlichen Skalen, von sehr groß bis sehr klein, statt (siehe Abbildung 1).

Bei der Direkten Numerischen Simulation (DNS) werden alle Skalen numerisch aufgelöst. Dafür ist eine sehr hohe räumliche und zeitliche Auflösung erforderlich. Die DNS ist die genaueste Möglichkeit zum Lösen der Navier-Stokes-Gleichungen, benötigt aber auch am meisten Rechenleistung. Der Rechenaufwand skaliert mit der Reynoldszahl ungefähr mit N~Re^3. Die DNS bleibt damit auf absehbare Zeit auf wissenschaftliche Strömungen  mit  niedrigen  Reynoldszahlen beschränkt.

Strömungsmechanische Grundgleichungen

Die Strömung Newtonscher Fluide kann mit den Navier-Stokes-Gleichungen (Erhaltung von Impuls, Energie und Masse) beschrieben werden. Insbesondere werden dadurch auch Phänomene wie Turbulenz und Grenzschichten abgebildet. Für ein inkompressibles Fluid vereinfachen sich die Navier-Stokes-Gleichungen bei isothermen Bedingungen zu:

(∂u_i)/∂t+u_j  (∂u_i)/(∂x_j )=-1/ρ  ∂p/(∂x_i )+1/ρ  (∂τ_ij)/(∂x_j )+f_i    und     (∂u_i)/(∂x_i )=0

Abb. 1: Energiekaskade und Wirbelzerfall einer turbulenten Strömung. Durch verschiedene Lösungsansätze modellierte und direkt berechnete Bereiche der Turbulenz.

Bei der Grobstruktursimulation (LES: Large Eddy Simulation) werden die großen und energiereichen Wirbel direkt berechnet und die kleineren Wirbel und die Dissipation über ein Modell beschrieben. Der Rechenaufwand skaliert ungefähr mit N~Re^0,4 in wandfernen Bereichen und mit N~Re^1,76 in wandnahen Bereichen. Sie ist ungenauer, aber auch weniger aufwendig als die DNS. Für die industrielle Anwendung ist eine LES immer noch deutlich zu rechenintensiv.

Bei Verwendung der Reynolds-gemittelten Navier-Stokes Gleichungen (RANS: Reynolds-averaged Navier-Stokes equations) wird die komplette Turbulenz über ein Modell beschrieben. Der Rechenaufwand einer RANS Simulation skaliert ungefähr mit N~log⁡Re. Sie ist am ungenauesten, aber auch am wenigsten aufwendig. Aufgrund des geringen Aufwands und häufig ausreichend genauen Ergebnissen ist der RANS Ansatz Standard für industrielle Anwendungen, Abbildung 2 oben.

Abb. 2: Durch RANS (oben) und hybride RANS-LES Simulation (unten) aufgelöste Wirbelstrukturen. Visualisiert über Iso Fläche der Geschwindigkeitsinvarianz Q. Eingefärbt mit Viskositätsverhältnis 𝜇_𝑡/𝜇.

Bei hybriden RANS-LES Turbulenzmodellen werden die Vorteile der LES und der RANS Simulation miteinander kombiniert, Abbildung 2 unten. Für die wandnahen Bereiche wird eine RANS  Simulation und für wandferne Bereiche eine LES durchgeführt. An der Berührgrenze beider Simulationen wird der turbulente Spannungstensor τ_ij durch eine Übergangsfunktion F miteinander gekoppelt:

τ_ij^hybrid=F τ_ij^RANS+(1-F) τ_ij^LES 

Zur Simulation einer gesamten Kaplan-Turbine mit diesem Ansatz werden ca. 400 Millionen finite Volumen verwendet. Bei der Verwendung von mehreren tausend Prozessoren auf dem Supercomputer des Höchstleistungsrechenzentrums Stuttgart wird dazu eine Rechenzeit von mehreren Monaten benötigt.

Zum Seitenanfang